Als frischer Erwachsener begegnet man solchen Themen, in denen man sich noch nicht sehr versiert auskennt, sehr unsicher. Doch aus heutiger Sicht finde ich es ziemlich anmaßend, auf diese Weise Menschen, denen man vielleicht gerade zum ersten Mal begegnet, direkt aufgrund ihrer Behinderung, mit der man sich null auseinandergesetzt hat, die Sexualität indirekt schon abzusprechen. Heute möchte ich aber nicht über diese Fragen sprechen, die unter Menschen mit Behinderungen direkt Seufzer aufgrund der Häufigkeit hervorrufen, sondern über das Schwulsein mit SMA.
Würde mal ein Mensch ohne Behinderung einige Tage lang eine Schule für Menschen mit Körperbehinderung besuchen, wäre ziemlich schnell klar, dass bei den Pubertierenden auch hier die Hormone nur so sprühen, und damit würde sich die grundlegende Frage zur Sexualität bei Menschen mit Behinderungen ganz schnell von selbst erledigen. Aber lassen wir das Mal.
Obwohl ich als Heranwachsender von sehr ruhigem Gemüt war, man könnte vielleicht sogar schon „still“ sagen, tobte der Hormoncocktail der Pubertät in mir dennoch nicht weniger stark. Sicherlich hatte ich in jenen Jahren und noch als Kind die eine oder andere Freundin, doch wie man es von Schulbeziehungen kennt, sind hier Substanz, Beständigkeit und Bedeutung nicht unbedingt Begriffe, die man mit diesen assoziiert. Einige Tage Händchen halten und nach wenigen Tagen dann ein Liebesaus waren gang und gebe.
Mittendrin in der Pubertät wurde mir dann aber ziemlich schnell bewusst, dass ich mich nicht ganz so verhalte wie der Rest meiner gleichgeschlechtlichen Altersgenossen. Aus dem Teufelskreis des Händchenhaltens war ich längst ausgebrochen und Mädchen interessierten mich nicht mehr die Bohne.
Stattdessen fing eine ungewohnte Begeisterung für Jungs in und knapp über meinem Alter an, in mir allmählich heranzureifen, die ich mir jedoch nicht ganz erklären konnte. Dabei fiel mir auch auf, dass es nicht ihr Verhalten war, was mich zu ihnen trieb, sondern ihre Körper, ihre Art sich zu bewegen, ihr Aktionismus. Interaktionen hielten sich in Grenzen, gingen nie übers Platonische hinaus. Oft war ich nur stiller Beobachter des alltäglichen Gerangels auf dem Schulhof.
Damals nahm ich an, dass mein Interesse in einer Art Lamentierung ob der fehlenden Bewegung durch meine spinale Muskelatrophie herrührte. Queere Medien oder generell sexuelle Orientierung als Thematik gab es Anfang der 2000er höchstens im späten Nachtprogramm oder ganz kodiert zwischen den Zeilen. Deshalb kam ich auch nicht auf den Gedanken, dass ich einfach schwul bin. Ich nahm mein für mich etwas seltsames Interesse abseits vom Lernen und meiner üblichen Hobbys so hin und konzentrierte mich mehr auf meine schulische Laufbahn, zumindest während der Schulzeit.
Das Zeitalter des Internets begann und damit auch der ziemlich offene und einfache Zugang zu erotischem Material im Internet. Sicherlich, überall wurde gewarnt und verpönt, aber ich muss mich schuldig dazu bekennen, mir aus solchen Verboten wenig gemacht zu haben. Es wurden systematisch Möglichkeiten meinerseits gesucht, virtuellen Jugendsünden zu frönen.
Erst auf der weiterführenden Schule fiel es mir dann wie Schuppen von den Augen – und damit begann eine sehr komplizierte Zeit für mich.
Näheres dazu erzähle ich dann im zweiten Teil der Serie. 🏳️🌈
Ein Regenbogen aus Kreide auf Asphalt
Fortsetzung folgt...
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