Das menschliche Gehirn – und ich glaube, bei uns SMAler:innen ist das noch einmal stärker ausgeprägt – ist darauf konditioniert, Lösungen zu finden. Wenn wir eine Fähigkeit verlieren, kompensieren wir dies erst einmal möglichst lange – z.B. durch einen etwas veränderten Bewegungsablauf oder indem wir ganz unbewusst Hilfsmittel benutzen. Dabei ist uns häufig noch nicht einmal klar, dass wir etwas anderes machen (müssen).
Mir persönlich ist erst vor Kurzem Folgendes aufgefallen. Wenn ich am Computer arbeite, sind die Spezialtastatur und das externe Touchpad eigentlich in Reichweite platziert. So, dass ich damit bequem arbeiten kann. Neuerdings benutze ich aber offenbar mein Handy, um darauf meine Hand etwas weiter nach vorne und in Richtung des Touchpads zu schieben. Offensichtlich hat meine „Arbeitshand“ inzwischen eine eingeschränktere Beweglichkeit, sodass es dieser Kompensation bedarf.
Wenn einem dann irgendwann einmal auffällt, dass man etwas anders macht oder vielleicht sogar gar nicht mehr kann, ist es jedes Mal wieder ein kleiner Schock. Natürlich wissen wir alle, dass es sich bei SMA um eine progressive Erkrankung handelt. Die Realität trifft einen aber dennoch oftmals unerwartet. Schließlich sind es immer wieder nur kleine, schleichende Veränderungen. Es ist nicht so, dass wir morgens aufwachen und auf einmal unsere Beine nicht mehr bewegen können. Sondern irgendwann merkt man eben, dass etwas anders ist und dass die Krankheit uns wieder ein ganz kleines bisschen Selbstständigkeit mehr abgerungen hat.
Auch wenn es auf diese Art und Weise vielleicht etwas weniger dramatisch ist, so ist die Feststellung, dass sich der eigene Zustand entgegen aller Bemühungen wieder einmal verschlechtert hat, einfach immer sch****. Da gibt es kein Drumherum-Reden oder Schönfärberei (man sehe mir daher an dieser Stelle bitte auch meine Ausdrucksweise nach). Ich bin grundsätzlich ein sehr positiver Mensch. Aber wenn man feststellt, dass der eigene Körper eben wieder etwas weniger kann, hilft auch das positivste Mindset nicht über diesen unumgänglichen Fakt hinweg.
Unsere innere Einstellung ist jedoch in diesen Situationen trotzdem, vielleicht sogar besonders, wichtig. An der Tatsache, dass sich die Krankheit weiter verschlechtert hat, können wir nichts ändern. Es ist absolut legitim, sich in solchen Momenten darüber aufzuregen, traurig oder sogar wütend zu sein. Das ist mehr als verständlich. Wir sollten nur aufpassen, dass wir diese Emotionen dann auch weiterziehen lassen. Denn egal wie sehr wir emotional leiden, dadurch ändern wir nichts mehr an der Tatsache, dass unser Körper nun mal wieder etwas weniger kann. Wenn wir diesen Emotionen jedoch nachhängen, geht es auch unserer Psyche schlecht. Letztere können wir jedoch, im Gegensatz zu unserem körperlichen Verfall, kontrollieren.
Nach solchen Momenten achte ich immer darauf, meinen Fokus wieder positiv auszurichten. Was kann ich noch? Welche schönen Dinge in meinem Leben sind ganz unabhängig davon, wie es um meinen Körper steht? Vor allem mache ich mir immer bewusst, in was für einer tollen Zeit ich lebe: Für uns alle hier in Deutschland ist es heutzutage möglich, in einer solchen Lebenssituation Assistenz zu haben. Außerdem können viele Dinge im heutigen Zeitalter technisch gelöst werden. Dabei rede ich gar nicht mal von großen Hilfsmitteln wie einem Elektrorollstuhl oder einem Patienten-Lifter. Wie viel kann man heute schon über das Smartphone oder digitale Assistenten erledigen?! Und so mache ich mich dann meistens auch daran, mir zu überlegen, wie und mit welchen Hilfsmitteln ich die verlorene Fähigkeit zukünftig kompensieren kann. In der Regel findet sich eine Lösung. Hin und wieder macht es sogar richtig Spaß oder eröffnet mir wieder noch weitere, bisher verloren geglaubte, Möglichkeiten.
Fortsetzung folgt...
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