Redaktionsteam - Camilla
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JAHRGANG 1971 •
SMA TYP II

Umgang mit Sicherheit – Teil 3: Rhetorik und Körpersprache – Überzeugend wirken und das Verhalten anderer verstehen

In zwischenmenschlichen Begegnungen sind klare Kommunikation und das richtige Deuten von Signalen entscheidend, um sich selbst zu schützen und Situationen souverän zu meistern. Der dritte Teil dieser Reihe beleuchtet, wie du selbstbewusst auftrittst und das Verhalten anderer besser einschätzen kannst.

Mehrere Personen sitzen auf einem Sofa. Davor schweben bunte Sprechblasen und ein Zeigefinger zeigt auf eine Sprechblase in der Mitte vom Bild.
Mehrere Personen sitzen auf einem Sofa. Davor schweben bunte Sprechblasen und ein Zeigefinger zeigt auf eine Sprechblase in der Mitte vom Bild.

Rhetorik

Rhetorik geht mit Menschenkenntnis Hand in Hand. Nur, wer Menschen kennt und weiß, wie und warum sie so reagieren, wie sie es tun, kann durch Rhetorik eine Kursänderung herbeiführen. Spreche ich hier von Manipulation? In einigen Fällen definitiv. Und das ist vollkommen legitim, wenn es darum geht, mich zu schützen. Manchmal bleibt nämlich einfach nichts Anderes, um eine Gefahr abzuwenden oder eine unangenehme Situation zu lösen. Und in anderen Fällen handelt es sich um ein ganz klares Statement, das gesetzt werden muss, um eine Grenze zu ziehen. 

Haben mir meine rhetorischen Fähigkeiten schon einmal aus einer Notsituation herausgeholfen?

Mehrmals. Folgende Geschichte war sehr beängstigend: Vor nicht allzu langer Zeit bekam ich beim Fahrdienst einen neuen Fahrer zugeteilt. Schon während der Einarbeitung schrillten bei mir alle Alarmsignale. Am nächsten Tag, als wir allein unterwegs waren, begann er, mir völlig absurde Geschichten von Prominenten und Politikern zu erzählen, die er angeblich gefahren haben will. Er setzte sogar noch einen drauf: „Ich habe für den Verfassungsschutz gearbeitet.“

Anfangs ließ ich ihn einfach reden. Doch dann wechselte er das Thema, und es stellte sich heraus, dass er fest davon überzeugt war, mich nur „ordentlich erschrecken“ zu müssen, damit ich wieder laufen könne. „Behinderungen gibt es nicht. Ihnen fehlt einfach der Ehrgeiz, sonst wären Sie doch längst geheilt! Gute Menschen wie ich müssten Sie dann auch nicht pflegen oder herumfahren. Wissen Sie denn nicht, dass Jesus wieder auferstanden ist, nachdem man ihn ordentlich erschreckt hatte?“

Es war morgens um 7:00 Uhr, stockdunkel draußen, und ich befand mich allein mit diesem Mann im Auto, auf halber Strecke zwischen meinem Zuhause und dem Büro. Ganz ehrlich: Ich hatte große Angst. Zu keinem Zeitpunkt wusste ich, ob er sich dazu entschließen könnte, mich „ordentlich zu erschrecken“, weil er ernsthaft glaubte, mich so heilen zu können.

Wäre es möglich gewesen, jemanden mit einer derartigen Überzeugung mit medizinischen Fakten und Logik umzustimmen? Natürlich nicht. Wie also konnte ich ihn davon abhalten, etwas Gefährliches zu tun? Ich dankte ihm dafür, dass er mir einen völlig neuen Denkanstoß gegeben hatte, und motivierte ihn, mir mehr zu erzählen. So dachte er, ich hätte durch ihn neue Einsichten gewonnen und wäre dankbar dafür, während wir parallel weiter in Richtung meines sicheren Büros fuhren. Zudem entschuldigte ich mich bei ihm und gab vor, kurz telefonieren zu müssen. Unter einem Vorwand rief ich meine Kollegin an und sagte ihr, dass ich in 10 Minuten ankommen würde. So wusste auch er, dass jemand auf mich wartete. Der verdutzten Kollegin erklärte ich die Situation später und weigerte mich, nach dieser Fahrt jemals wieder mit diesem Mann zu fahren.

Schuldzuweisungen sind kontraproduktiv

In einer Konfliktsituation hört niemand gerne Sätze wie: „Du behandelst mich ständig respektlos.“ oder „Immer kommst du zu spät.“ Schuldzuweisungen und Hinweise darauf, dass sich das Verhalten bereits mehrfach gezeigt hat, drängen die andere Person in eine Verteidigungshaltung und provozieren dadurch oft eine Eskalation. Das verhärtet die Fronten und führt zu keiner Lösung – Antipathie wird nicht nur aufgebaut, sondern auch langfristig genährt. Stattdessen ist es viel sinnvoller, eine Lösung anzustreben, und das gelingt gut über Fragestellungen oder Statements, die eine Ich-Botschaft senden. So kannst du dem Gegenüber zeigen, dass eine Grenze überschritten wurde.

Zum Beispiel:

„Ich fühle mich mit diesem Gespräch gerade nicht wohl, lass uns bitte beide einen respektvollen Ton beibehalten.“

Oder:

„Unser Gespräch hat gerade eine nicht so schöne Wendung genommen. Was ist los? Habe ich etwas getan, das dich getriggert hat?“

Fragen sind ein starkes rhetorisches Mittel, um Konflikte zu entschärfen und die Verantwortung auf das Gegenüber zu verlagern. Anstatt Vorwürfe zu machen, die die andere Person sofort in eine defensive Position bringen, kannst du durch Fragen den Fokus auf sie lenken und sie dazu anregen, über ihre Handlungen und Worte nachzudenken.

Prägnante Sprache ist wichtig

Kurze, klare und präzise Statements sind nicht nur leichter zu verstehen, sondern wirken auch stärker. Wenn du in einer bedrohlichen Situation lange Erklärungen abgibst oder dich in detaillierte Diskussionen verwickeln lässt, signalisierst du Unsicherheit. Das gibt der anderen Person mehr Möglichkeiten, das Gespräch zu unterbrechen, die Diskussion auszuweiten und die Situation in die Länge zu ziehen. Hier die Kontrolle zu behalten, ist sehr schwer.

Kurze, klare Aussagen sind in solchen Fällen das Mittel der Wahl. „Ich erwarte Respekt.“, „Ich möchte das nicht.“ oder „Das ist nicht akzeptabel.“ sind Sätze, die einem harmoniebedürftigen Menschen nicht leicht über die Lippen gehen. In manchen Situationen ist es jedoch unabdingbar, auf diese Weise nachdrücklich und schnell eine klare Linie zu ziehen, die nicht diskussionswürdig ist. Das wirkt besonders in Fällen von sexueller Belästigung, bei denen eine sofortige und unmissverständliche Reaktion erforderlich ist. Die kurze und klare Aussage zeigt der anderen Person, dass es hier keine Verhandlungsbasis gibt.

Diese Strategie kann nicht nur im Bereich der Assistenz oder Pflege notwendig sein, sondern auch unterwegs, zum Beispiel in Geschäften. Wenn ein Fremder unangemessenes Verhalten zeigt, reicht oft ein kurzer, klarer Satz wie „Bitte hören Sie auf!“ oder „Ich möchte, dass Sie Abstand halten!“.

Körpersprache geht auch mit SMA

Na klar, unsere Körpersprache ist behinderungsbedingt eingeschränkt. Das bedeutet aber nicht, dass wir keine Möglichkeit haben, Selbstbewusstsein zu signalisieren.

Ein fester Blickkontakt, eine möglichst aufrechte Kopfhaltung und das gezielte Einsetzen von Pausen und Betonungen beim Sprechen vermitteln Selbstsicherheit. Dies hat einen psychologischen Effekt auf das Gegenüber und verstärkt den Eindruck, dass wir die Kontrolle über die Situation haben.

Fazit

Für uns Menschen, die sich körperlich nicht verteidigen können, sind rhetorische und kommunikative Fähigkeiten unverzichtbare Werkzeuge, um sich gegen Übergriffe zu schützen und die eigene Sicherheit im Alltag zu gewährleisten.

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Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen. 

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