Selbst für Menschen ohne Muskelerkrankung kann eine starke Erkältung mit Schnupfen und Husten äußerst erschöpfend sein. Für uns, die mit SMA leben, birgt eine solche Erkrankung jedoch zusätzliche Risiken und kann schnell lebensbedrohlich werden. Das ohnehin eingeschränkte Lungenvolumen und die fehlende körperliche Kraft zum effektiven Husten und Schnauben machen Infekte besonders gefährlich.
Ganze fünf Jahre lang bin ich von Krankheiten verschont geblieben, und neun Jahre habe ich kein Antibiotikum gebraucht. Doch irgendwann war klar, dass der nächste Infekt kommen würde. In diesem Beitrag möchte ich euch erzählen, wie ich die vergangenen drei Wochen bewältigt habe.
Sobald sich der Sommer dem Ende zuneigt, überprüfe ich meine Hausapotheke, fülle die Vorräte auf und stelle sicher, dass die rezeptfreien Medikamente noch haltbar sind. In dem Moment, in dem ich krank werde, bin ich dankbar, alles griffbereit zu haben.
Ich bevorzuge Boxen mit Kosmetiktüchern gegenüber herkömmlichen Taschentüchern. Die leichten Tücher lassen sich viel einfacher aus dem Karton ziehen und müssen nicht extra auseinandergefaltet werden – das macht sie besonders praktisch.
Wenn mir sonst schon wenig Kraft zur Verfügung steht, hatte ich während meiner letzten Krankheit gar keine mehr – absolut null. In dieser Zeit war ich noch stärker darauf angewiesen, dass meine Assistenten mich gut kennen und jeder Handgriff bei der Pflege sitzt. Manchmal war es essenziell, dass alles schnell ging, zum Beispiel beim Umkleiden im Liegen, da ich dabei sehr schlecht Luft bekommen habe.
Einer neuen Mitarbeiterin, die noch keine Routine hatte, habe ich die Situation erklärt und sie vorübergehend vom Dienstplan genommen, solange es mir so schlecht ging.
Eines weiß ich sicher: Wenn ich einen Schnupfen bekomme, folgt unweigerlich Husten. Deshalb beginne ich sofort mit der Einnahme schleimlösender und schleimverflüssigender Mittel. Husten kostet mich immer die letzten Kraftreserven. Dennoch ist effektives Abhusten in meinem Fall nur möglich, wenn ich von Anfang an unterstützende Medikamente nehme und regelmäßig inhaliere.
Während meiner Erkrankung habe ich teilweise fast rund um die Uhr gehustet und konnte kaum sprechen. Hinzu kam ein enormes Bedürfnis nach Sauerstoff. Daher habe ich mit meiner Familie und meinen Assistenten klare Absprachen getroffen: Zum Beispiel bedeutete ein einfaches Zeigen auf die Balkontür, dass sie diese öffnen sollen. Es war wichtig, dass jede Geste eine eindeutige Bedeutung hatte.
Ebenso entscheidend war eine klare Geste für „Nein“. Manche Menschen meinen es gut und versuchen, durch Klopfen auf den Rücken beim Husten zu helfen oder andere gut gemeinte Aktionen auszuführen. Doch im schlimmsten Fall bewirken diese das Gegenteil und sind nicht erwünscht.
In den ersten sieben Tagen meiner Erkrankung hatte ich einen starken Widerwillen gegen Essen. Doch am Ende siegte die Vernunft, denn mit Husten und Schnupfen zu kämpfen ist für jemanden mit SMA vergleichbar mit einem täglichen Marathon. Der Körper braucht Kalorien, auch wenn der Appetit fehlt.
Ich habe daher begonnen, nur noch sehr weiche Nahrung zu mir zu nehmen, um das Risiko des Verschluckens zu minimieren, falls ich während des Essens husten müsste. Lebensmittel wie Krümel, Reiskörner oder Nüsse wären in diesem Zustand problematisch. Wenn gar nichts mehr ging, griff ich zu pürierten Suppen, die ich durch einen Strohhalm getrunken habe. Besonders die breiten Bubble-Tea-Strohhalme eignen sich dafür hervorragend.
Noch nie war ich so dankbar für meinen Luftbefeuchter wie in dieser Zeit. Über Sprachsteuerung und App konnte ich ihn jederzeit aktivieren. Die zusätzliche Feuchtigkeit hat mir besonders bei schweren Hustenanfällen spürbare Erleichterung verschafft.
Bei einer schweren Erkrankung ist das Immunsystem geschwächt, weshalb ich es besonders wichtig finde, die Belastung durch Viren, Bakterien und Keime in meinem Umfeld zu reduzieren. Deshalb lasse ich während einer Krankheit meinen Luftreiniger mit einem hochwertigen Filter rund um die Uhr laufen, lüfte häufig, koche meine Zahnbürste einmal täglich ab und achte insgesamt stärker auf Hygiene als sonst. Ob das medizinisch notwendig ist oder eher meiner Psyche guttut, kann ich nicht sicher sagen.
Was ich jedoch mit Sicherheit sagen kann: Das Anzünden von Kerzen ist während einer Krankheit absolut tabu. Kerzen verbrennen Sauerstoff und setzen dabei Schadstoffe wie Feinstaub, Stickoxide und Rußpartikel frei, die die Atemwege reizen können. Besonders Duftkerzen geben zusätzlich chemische Verbindungen ab, die potenziell schädlich sind.
Wenn das Atmen durch Mund und/oder Nase kaum noch möglich ist und ein permanenter Husten die Sauerstoffaufnahme zusätzlich erschwert, kann Panik schnell aufkommen. Doch genau diese gilt es unbedingt zu vermeiden, da sie das Atmen noch weiter erschwert.
In solchen Momenten ist es entscheidend, Ruhe zu bewahren und sich ausschließlich auf das Atmen zu konzentrieren: Augen schließen, fokussieren, atmen.
Mir hilft es enorm, in diesen Situationen durch etwas Banales von außen abgelenkt zu werden. Mein persönlicher Helfer sind Hörbücher – sie schaffen eine angenehme Hintergrundrealität, während ich meinen Fokus gleichzeitig auf meine Atmung und die Geschichte richte.
Für mich sprichwörtlich lebensrettend ist mein Esstisch. Das mag ungewöhnlich klingen, aber er spielt eine entscheidende Rolle. Dank seiner ovalen Form kann ich meinen linken Arm (da ich meinen Rollstuhl mit der rechten Hand steuere) vor meinen Bauch legen und mit Schwung gegen die Tischkante fahren. Dabei drückt mein Arm gezielt auf meinen Bauch unterhalb der Rippen, wodurch ein Effekt ähnlich dem Heimlich-Manöver entsteht. Durch die Kompression des Bauchraums wird Luft nach oben gedrückt, was meinen Hustenstoß erheblich unterstützt.
Diese Methode ist für mich so wichtig, dass ich meinen Esstisch von einem Schreiner anpassen ließ, als ich einen neuen Rollstuhl bekam, der nicht zur ursprünglichen Tischhöhe passte.
Disclaimer: Diese Schilderung basiert auf persönlichen Erfahrungen und ist keine allgemeine Empfehlung! In Notfällen, wie etwa beim Verschlucken oder bei Atemnot, sollte umgehend eine medizinische Fachkraft verständigt oder der Notruf gewählt werden.
Die Kraft kehrt zurück, die Krankheit ist weitgehend überstanden, und mit ihr wächst der Wunsch nach Normalität im Alltag. Doch ich kann nur raten, die eigene Vitalität nicht zu überschätzen. Es ist ein großer Unterschied, ob man zu Hause sitzt und sich schont, oder ob man direkt wieder ins Arbeitsleben, an die Uni oder in die Schule einsteigt.
Mein dringender Rat: Gönnt euch noch eine Woche Schonfrist. Diese zusätzlichen Tage sind essenziell, um sich wirklich zu erholen – auch wenn es sich im ersten Moment vielleicht nicht so anfühlt. Nach drei Wochen schwerer Krankheit, die mir enorm viel Kraft geraubt hat, brauchte ich diese Extra-Zeit, um körperlich wieder fit zu werden und leistungsfähig in den Berufsalltag zurückzukehren.
Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen.
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