In meiner alten Klasse auf der Hauptschule hatte ich lange Zeit nur Mädchen als Klassenkameradinnen, auf der weiterbildenden Schule wurden die Karten aber neu gemischt. Entsprechend waren meine analytischen Blicke nun nicht nur auf die Pausenzeit beschränkt, nein, ich konnte auch im Unterricht einfach etwas verträumt schmachten. Von außen betrachtet, hätte man höchstens meinen können, ich würde Körpersprache analysieren wollen.
Ich fand dort aber auch einen neuen Freundeskreis – etwas, das mit dem vorherigen Schulabschluss bis dahin etwas verloren ging. Wir teilten viele Interessen und haben auch abseits der Pausen Zeit miteinander verbracht. Zu dieser Zeit war auch die eher androgyn angehauchte Popkultur Visual-Kei im Trend, bei der auch die sexuelle Orientierung verschwamm. Mit einer guten Freundin von damals bin ich öfter mal in der Freizeit zu Szene-Veranstaltungen gefahren, aber ganz mit irgendwelchen Szenen konnte und wollte ich mich auf Dauer nicht identifizieren. Stattdessen wurde mir ein anderer Fakt bewusst: Ich stehe auf Jungs.
Sicherlich musste ich einige Stunden meiner Freizeit damit aufbringen, einzuordnen, wie ich mich selbst damit fühle, tatsächlich dauerte dies bei mir aber gar nicht so lange. Letztendlich sagte ich zu mir:
„Ich bin halt, wie ich bin. „Normal“ war mir immer fern.“
Tatsächlich gab es ein paar wenige Schüler auf der Schule und dort im nahen Umfeld, die ganz offen mit ihrer nicht-heterosexuellen Orientierung umgingen. Ich selbst war keiner davon. Vielleicht war ich einfach zu feige. Ich versuchte es damit zu rationalisieren, dass ich einfach ich bin und nicht noch zusätzliche Label benötigte, mit Vorurteilen hatte ich schon zwecks meiner Behinderung zu kämpfen. Mit der Zeit stieg in mir aber der Drang auf, mich doch einer vertrauten Person mitzuteilen und schließlich tat ich das auch. Als es dieser Person aber ziemlich egal war, welche sexuelle Orientierung ich hatte, kam ich zu dem Schluss für mich, dass sich mir der Sinn eines typischen Outings aus den mittlerweile offeneren Medien nicht erschloss. Wieso musste ich der ganzen Welt mitteilen, wer ich bin und wie ich fühle?
Im Nachgang war das für mich die richtige Entscheidung. Der zweite Lebenspartner meiner Mutter und später auch einer meiner hauptberuflichen Assistenten waren ziemlich negativ auf das Thema Homosexualität eingestellt. Mit meiner Familie wurde das Thema gar nicht erst angesprochen und das gesamte Arbeitsverhältnis mit dem entsprechenden Assistenten war von Spannungen über Jahre hinweg erfüllt, gerade wenn es darum ging, meine sexuelle Orientierung offener auszuleben. So war ich mit der Ausnahme einer eher missverständlichen Beziehungsanbahnung mit eher spitzbübischem Charakter während der Schulzeit doch noch mit dem Thema bis über das Studium hinweg für mich allein.
Einziger Zufluchtsort für mich war hier wieder das weite Universum des Internets. Wenngleich ich mich dort aufgrund der fehlenden Komponente in Form von körperlichen Interaktionen nicht voll ausleben konnte, fand ich hier Zufluchtsorte für mich, an denen ich mich austauschen und einfach auch außerhalb meines Kopfes mit meiner sexuellen Orientierung wohlfühlen konnte.
Glücklicherweise folgte nach dieser Zeit des freiwilligen unfreiwilligen Einsperrens meiner soziosexuellen Entfaltung durch glückliche Zufälle und einige schwere Entscheidungen zu meinen Gunsten auch eine Zeit, in der ich sehr experimentell sein konnte – das erste Mal in meinem Leben. Wie sich diese Zeit für mich gestaltete, erzähle ich im dritten und letzten Beitrag dieser Reihe.
Love is love. 🌈
Fortsetzung folgt...
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