Aufgrund solcher Gedankengänge entwickelt man mit der Zeit eine gewisse Resignation – also eine Gleichgültigkeit gegenüber mehr und mehr Dingen im eigenen Leben. So erging es mir zumindest.
Dabei gab ich diesem Gefühl aber wenig Beachtung. Schließlich strauchelt sowieso die ganze Welt und als Teil dieser sind die eigenen Leiden ein nur natürlicher, nicht vermeidbarer Kollateralschaden.
Der Beginn einer depressiven Verstimmung? Vielleicht… oder eben auch vielleicht nicht. Ist professionelle Hilfe angeraten? Vielleicht… aber da ist nun mal auch das ganze System überlastet.
Und so stempelte ich das Ganze schnell als „Kinkerlitzchen“ ab und entschied mich dazu, erst einmal keine Hilfe eines Psychologen oder einer Psychologin in Anspruch zu nehmen. Ich dachte, wahrscheinlich bekäme ich sowieso nicht sofort einen Termin und könne es erst im übernächsten Jahr irgendwo zwischendrin unterbringen. Eine andere Lösung musste her. 🧐
Steckt man in der eigenen Alltagsfalle fest, ist es aber manchmal gar nicht so leicht, den Ausweg aus dem deprimierenden Gedanken-Karussell selbst zu finden. Überhaupt nimmt man das eigene Leiden dann vielleicht in vielen Fällen erst gar nicht mehr als solches wahr.
Die Negativität zieht sich dann durch den Alltag: In persönlichen Gesprächen findet ein vermehrter Austausch von Problemen statt – seien es die eigenen Themen oder die der anderen. Einmal in dieser Negativitätsfalle gefangen, sieht man immer mehr Schwarz. Es findet ein regelrechter Austausch statt, vielleicht sogar ein kleiner „Marktplatz der Probleme“ oder es wird gar der Wettbewerb „Deutschland sucht das Superproblem“ initiiert.
Das großartige Rezept von letzter Woche oder die Behandlung kleiner Zipperlein werden links liegen gelassen. Die Welt leidet, das Land leidet, der eigene Umkreis leidet. Also hat man ebenso zu leiden, schließlich werden einem als Mensch mit Behinderung schon Eigenschaften einer Koryphäe im Leiden zugeschrieben. Letztendlich bleibt einem kaum mehr als Leid übrig. Denn es gibt kein anderes Thema mehr in der aktiven und passiven Interaktion. 🕳️
Im Alltagstrott gefangen, konzentriere man sich häufig auf das Negative, so Roberto. Darunter kann die mentale Gesundheit leiden.
Erst wenn man sich von alledem, vom Weltgeschehen, von der Umgebung selbst, von scheinbar geltenden Fakten für einen kleinen Moment löst, vielleicht bei einer spontanen Meditation, einem Nachmittag ohne irgendeinen Plan oder im angeregten Gespräch mit dem Lieblingsmenschen, kommen einem manchmal wichtige Erkenntnisse in den Kopf. Bei mir taten sich so plötzlich neue Perspektiven auf und es schossen mir Gedanken in den Kopf, wie:
Und diese kurze, scheinbar schon lachhafte Erkenntnis ist wie ein kleiner Samen, der sich im Kopf einnistet. Erst für Sekunden, dann Minuten. Aus diesen Minuten der eigenen Wahrnehmung folgen kleine Ideen, wie kleine Stromstöße. Diese sprühen dann weiter Funken. ✨
Die Ideen werden zu Recherchen, allein oder zusammen. Und manchmal schreitet man dann wieder zu neuen Taten, ganz spontan, ohne Zusprache, ohne Zureden. Einfach, weil man es in dem Moment für richtig und wichtig hält.
So kam im neuen Jahr auch ein spontanes, romantisches Wochenende im Hotel mit meinem Lebenspartner zustande. Ursprünglich hatten wir etwas komplett anderes geplant, wurden aber von Barriere über Barriere und äußeren wie internen Hindernissen davon abgehalten, überhaupt noch größere Unternehmungen gemeinsam, ohne weitere Hilfe und Unterstützung vorzunehmen. Im ganzen Kreisel der Probleme kam dann seine Idee, einfach mal in der Nähe ein Wochenende im Hotel zu verbringen, damit ich mal aus meiner von Mietmängeln geplagten Wohnung im Winter herauskomme. Keinen Moment habe ich da gezögert, zuzustimmen. Irgendwie spross da der kleine Keim, den ich vorhin erwähnte, ganz rasant in mir auf. 🌱
Obwohl in der Zwischenzeit der größte Teil mit den Problemen in meiner Wohnung behoben wurde, blieben wir bei unserem spontanen Plan mit dem Hotel. Und ich muss sagen: Es war eine der besten Entscheidungen, die wir getroffen haben. Für die ganze Zeit des Aufenthalts waren die Leiden der Welt und auch unsere eigenen gefühlt auf Pause geschaltet. Selbst unsere nächste Reise haben wir schon, diesmal einen Schritt weiter, geplant. ⏯️
Für Außenstehende, gerade ohne Behinderungen wie der Spinalen Muskelatrophie, wird unser Spontantrip in ein Hotel nur wenige Kilometer vom Zuhause entfernt, sicherlich ein wenig verrückt anmuten – für uns aber war es der kleine Anstoß, der uns von immerwährendem Leid wieder in die Welt der Selbstverantwortlichkeit und der glücklichen Momente geführt hat. Ist nämlich das Leid mal einen Moment nicht im Mittelpunkt, wird einem früher oder später klar, dass die Empfindung von Leid nicht unbedingt dem Maß des tatsächlichen, eigenen Leids entspricht. Horcht man dann noch ein wenig mehr in sich hinein, kommt man selbst früher oder später zur Erkenntnis, dass die früheren Empfindungen von Glück nur von ein bisschen Eigenantrieb abhängig waren. Der Rest kommt meistens von allein. Mein Rat und die Quintessenz dieses Beitrags: Einfach mal machen! 💪
Redaktionelle Anmerkung: Das Thema mentale Gesundheit liegt uns am Herzen. Solltet ihr unter Depressionen leiden oder andere psychische Probleme haben, könnt ihr euch bei der Telefonseelsorge melden. Diese ist unter 0800/111-0-111 sowie 0800/111-0-222 zu erreichen. Die Online-Adresse lautet www.telefonseelsorge.de
Robertos Flucht aus dem Alltag führt ihn in ein nahegelegenes Hotel.
Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen.
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