Jahrgang: 1990 •
SMA TYP II

Spontan verreisen mit Rollstuhl und Assistenz – Mal eben die Wohnung für ein paar Tage verlassen? Nicht mit SMA!

Aufgrund von Reparaturarbeiten musste ich meine Wohnung für einige Zeit verlassen. Welche Hürden das mit sich brachte und wie ich die Zeit überbrückt habe, erfährst du hier!

Ein Mann steht vor der Tür seiner Wohnung und trägt zwei gepackte Koffer heraus.
Ein Mann steht vor der Tür seiner Wohnung und trägt zwei gepackte Koffer heraus.

Eine Reise soll eine angenehme Abwechslung vom Alltag schaffen. Dass so etwas wohl geplant sein muss, ist für Menschen mit körperlichen Behinderungen wahrscheinlich längst bekannt: Spart man an der Vorbereitung, stößt man eher mal auf unangenehme Überraschungen. So kann man sich als Betroffener schnell den Urlaub vermiesen – und das muss doch nun wirklich nicht sein.

Eine ganz andere Sache ist es dann noch, wenn man spontan für einige Tage zwangsweise aus der eigenen Wohnung verschwinden muss, weil dort umfangreiche Reparaturen gemacht werden müssen. 🔧🪜

Seit Jahren habe ich mich mit meinem Vermieter über eine Bodenreparatur gestritten. Der Schaden wurde mit der Zeit immer größer, sodass man mir schließlich mitteilte, ich bräuchte nun für den Zeitraum der Reparaturen eine andere Bleibe. Am liebsten wollte man am nächsten Tag schon kommen, obwohl sowohl Vermieter als auch die Mitarbeiter der Baufirma gesehen haben, dass ich nicht mal so ohne Weiteres meine sieben Sachen packen und fortziehen kann. 🧳

Blindheit gegenüber behinderungsbedingten Lebensrealitäten

Diese Blindheit vieler Menschen gegenüber behinderungsbedingten Lebensrealitäten empfinde ich als äußerst frustrierend.“

In solchen Situationen ist bilaterale Kommunikation und Verständnis essenziell. Schließlich sollte ich meine unverschuldeten Lebensumstände eigentlich nicht rechtfertigen müssen. Glücklicherweise ging die Baufirma in diesem Fall nach wenigen Gesprächen dann doch individuell auf mich ein und zeigte Flexibilität bei der Termingestaltung. Der Vermieter war dagegen jedoch ein gänzlich anderes Kaliber. 😑

Zuerst war man sehr zuversichtlich, für mich eine geeignete Bleibe zu finden. Als ich jedoch die für mich notwendigen Kriterien aufführte, ruderte man sehr schnell zurück und delegierte die Hotelsuche an mich – die Auflage: nur Kosten in Höhe von 80 € je Übernachtung werden übernommen. Dass ich mit persönlicher Assistenz allerdings gleich zwei Zimmer benötige und es entsprechend teurer wird, wurde mit einer kurzen Entschuldigung abgetan.

Reisen mit SMA – was es zu beachten gilt…

Hier zeigen sich schon die ersten Probleme beim Thema Spontanität mit körperlichen Einschränkungen: Während man als Person ohne Behinderung ohne Weiteres mal ein paar Nächte bei Familie oder Freunden oder aber in einem x-beliebigen Hotel oder gar Motel übernachten kann, ist das für Menschen mit SMA reine Utopie. Ohne intensivste Bemühungen und Unterstützung ist es schon fraglich, ob man auch nur einen Abend außerhalb der eigenen vier Wände verbringen kann.

Deswegen ist es wichtig, sich schon vor der Reise einige Fragen zu stellen, damit diese nicht in einem Reinfall endet. Hier meine Top 3 der zu klärenden Themen:

  1. Hotelsuche
  2. Barrierefreiheit in der Umgebung
  3. Assistenz

Die Liste ist natürlich noch länger und variiert sicher von Situation zu Situation, aber auf diese entscheidenden Punkte möchte ich im Folgenden gern kurz eingehen…

1. Hotelsuche: Auf der Suche nach einer geeigneten Bleibe

Eine angenehme Erfahrung machte ich mit der Hotelsuche. Aufgrund der zeitlichen Dringlichkeit musste es eine schnelle Internetrecherche tun. Ich habe also einfach los gegoogelt und dabei den Radius so eingegrenzt, dass ein Dienstwechsel innerhalb meines Assistententeams unproblematisch vonstatten gehen konnte.

Tatsächlich fand ich so eine Bleibe, die sich zwar nicht im gleichen Ort, doch zumindest im Nachbarort befand. Und tatsächlich stellte sie sich im Nachhinein – bis auf wenige Ausnahmen – als barrierefrei heraus. Außerdem besaß sie ein äußerst abgeschiedenes Ambiente, sodass zumindest dieser Umstand den Aufenthalt selbst aufgrund der besseren Zugänglichkeit deutlich unkomplizierter machte.

Dank der Unterstützung meines Partners – der unentbehrlich für die Organisation und Logistik bei diesem Unterfangen war und mir bei diesem notwendigen Exil aus meiner Wohnung stets zur Seite stand – sowie meines Assistenzteams, konnte ich diese Tage bestmöglich meistern.

Zu einem geeigneten Hotel gehört natürlich auch eine für meine Bedürfnisse geeignete Einrichtung des Zimmers. Am allerwichtigsten ist mir, dass ich mit meinem mobilen Tragelifter zwischen Bett und Rollstuhl transferieren kann und auf die Toilette sowie zur Duschgelegenheit komme. Alles andere lässt sich improvisieren.

Doch als Mensch, der gerne zeiteffizient arbeitet, improvisiere ich im Alltag möglichst wenig. So lege ich möglichst viele Pflegeaufgaben so aus, dass sie mit so wenig Transfers wie möglich durchgeführt werden können. Ein solcher kostet bei mir nämlich unglaublich viel Zeit und Zeit ist bekanntlich Geld.

Bei meiner spontanen Reise aufgrund der Renovierungsarbeiten musste ich ein wenig mit der Lagerung im Bett kreativ werden, weil die einzig unterfahrbare Seite die war, die eine schlechtere Höhenverstellung hatte. Aber ich war vorbereitet: Denn für genau so einen Fall hatte ich genug Polster und Handtücher zum Lagern eingepackt. Das Bad war dagegen erfreulicherweise sehr geräumig und sogar mit verstellbarem Spiegel ausgestattet. Hier gab es also keinerlei Probleme.

Generell ist es mir bei einem Hotelaufenthalt wichtig, dass die Assistenz und ich für ausreichend Privatsphäre eigene Zimmer haben.

Mit einem (höherpreisigen) Babyphone zum Beispiel ist das auch überhaupt kein Problem –  selbst bei hohem Kommunikationsbedarf. Denn die Babyphone sind meist einfach zu bedienen – auch mit den motorischen Einschränkungen durch die spinale Muskelatrophie. Die Qualität des Geräts ist allerdings wichtig, um eine einwandfreie Übertragung gewährleisten zu können. Schließlich sind die Wände zwischen Hotelzimmern meist dichter als innerhalb normaler Wohnungen, oder die Zimmer liegen nicht direkt nebeneinander.

2. Barrierefreiheit in der Umgebung: Wie kann ich mich versorgen?

Ohne eigene Küche muss ich mich natürlich extern versorgen. Dabei ist es nicht nur wichtig, dass die Einrichtungen in der Umgebung barrierefrei sind, es muss auch für mich gut konsumierbare Lebensmittel geben.

Ich lese mir dann im Vorhinein die Bewertungen von beispielsweise Restaurants durch und sehe mir auf den Online-Karten die Umgebung des Hotels aus der Vogelperspektive an. Bringen mich diese Informationen nicht weiter, stelle ich mich sicherheitshalber auf eine vollständige Selbstversorgung ein. In diesem Fall vergrößerte diese Planung das Volumen meines Gepäcks deutlich: Letztendlich machte ich mich also mit dreieinhalb vollen Reisetaschen auf den Weg, um für alle Gegebenheiten gewappnet zu sein. 🧳🧳🧳👜

Bei mir lief es auf eine Ernährung aus Babybrei und Tütensuppen hinaus – das war zwar weder kulinarisch noch gesundheitlich ein Highlight, aber es war zumindest günstig und reichhaltig an Kalorien. Eine Versorgung durch den Hotelbetreiber ziehe ich zwar grundsätzlich immer vor, aber aufgrund fehlender Gäste im Zeitraum meines Aufenthalts war das hoteleigene Restaurant temporär geschlossen. So blieb ich auf die Selbstversorgung angewiesen. Ein Highlight für die Seele war dann eine Art Sandwich bei einer „Hipster-Imbissbude“. 🥪

3. Assistenz: Wie steht es um meine Unterstützung?

Nicht selten laufen spontane Ausflüge auf viel Improvisation hinaus. Für einen selbst endet eine solche Exkursion dann häufig in einem Reinfall, weil man sich entweder als Ballast sieht oder sich aber unwürdig behandelt fühlt. Mit entsprechender Vorbereitung kann man aber dem entgegenwirken.

So war die Planung meiner persönlichen Assistenz recht unkompliziert, denn die spontane Reisebereitschaft meines Helfernetzwerks ist meist sehr gut. Das liegt aber auch daran, dass mein Team bei mir grundsätzlich arbeitsvertraglich verpflichtet ist, mich auch bei längeren Aufenthalten außerorts zu begleiten. Natürlich haben wir uns vorher gegenseitig ein wenig abgesprochen, wer für welchen Zeitraum infrage kommen kann. Auch hatte ich eine Assistenz, die für Einsätze außerhalb nicht infrage kommt, damit beauftragt, bei mir zuhause Stellung zu halten und mich über den Bearbeitungsstand zu informieren. Durch diese Arbeitsaufteilung hatte ich sogar das Glück, bereits frühzeitig zu erfahren, dass die Bauarbeiten bereits nach drei Tagen erledigt waren und konnte dann auch wieder nach Hause.

Leere Wohnung mit Renovierungsarbeiten am Bodenbelag

Mein Rückblick

Dem Geld für die Kostenerstattung des Hotelaufenthalts renne ich zwar noch immer bei verschiedenen Stellen hinterher, aber: Ich kann meinen Alltag wieder in meiner auf mich zugeschnittenen und frisch renovierten Umgebung verbringen. 🤗

Was ich aus dem Ganzen mitgenommen habe? Nicht jede Reise dient der Erholung, doch jede Reise aktiviert neue Kräfte. Ich für meinen Teil fühle mich nun nach diesem ganzen Akt einmal mehr zuversichtlich, noch größere Projekte aus eigener Kraft zu stemmen.

Jahrgang: 1990 •
SMA TYP II

Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen. 

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