In meinem Assistenzteam schätze ich stets eine vielfältige Mischung von Charakteren, Altersgruppen und kulturellen Hintergründen. Und so ist es auch häufig der Fall, dass Deutsch nicht die erste Sprache der Assistentinnen und Assistenten ist. In den letzten zehn Jahren hatte ich – neben Assistentinnen und Assistenten mit deutschen Wurzeln – Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die ursprünglich aus folgenden Ländern stammen:
Indien, Portugal, Kasachstan, Türkei, Pakistan, Russland, Schweiz, Kenia, Polen, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Albanien, Marokko, Äquatorialguinea und Italien.
Mit einigen war die Verständigung gut möglich, mit anderen gestaltete sie sich zufriedenstellend. Und mit wieder anderen Assistentinnen und Assistenten war zu Beginn eine Kommunikation so gut wie gar nicht möglich. Spricht jemand Englisch, ist das ganz wunderbar, dann können wir vom Deutschen einfach umswitchen und uns verstehen. Ganz häufig ist es jedoch der Fall, dass die Englischkenntnisse (falls überhaupt) auch nur rudimentär vorhanden sind. Da mein Französisch ziemlich eingerostet ist und ich sonst auch keine weiteren Sprachen beherrsche, kann ich auch von meiner Seite her nicht viel bieten.
Man hört immer die Aussage, der Markt sei leer. Ist das so? Nein, das kann ich für mich nicht bestätigen, denn ich habe doch eigentlich das große Glück, meistens schnell ein gut passendes Match zu mir zu finden.
Ich möchte mit dieser Aussage von vornherein der Frage den Wind aus den Segeln nehmen, ob ich deswegen Menschen einstelle, bei denen es eine Sprachbarriere gibt, weil es eventuell keine gut deutschsprechenden Mitarbeiter gibt, die sich bewerben. Das ist nicht der Fall.
Mein Fokus liegt aber nicht auf der Sprache, sondern auf der Tatsache, wie sympathisch mir ein Mensch ist und wie überzeugt ich davon bin, dass er für mich und mein Team eine Bereicherung darstellen kann. Die Kommunikation bekommen wir auf jeden Fall hin und ich kann ergänzen, dass ein Arbeitsverhältnis noch nie an der Sprache gescheitert ist.
Aktuell habe ich in meinem Team drei Personen, von denen zwei schlecht und eine Person sehr schlecht Deutsch sprechen.
Extrem wichtig ist es mir, dass wir uns verstehen, wenn es um pflegerische Abläufe geht. Wenn ich nicht sicher sitze, wegrutsche, nicht richtig liege usw. ist es essenziell wichtig, dass meine Assistenten verstehen, was ich sage. Ich muss mir in gewissen Situationen zu 100 % sicher sein, dass es zumindest hier keine Verständigungsprobleme gibt.
Es kommt vor, dass Assistenten, wenn sie neu und noch nicht richtig eingearbeitet sind, auf meine Fragen oder Bitten hin mit „ja“ antworten, jedoch nicht verstanden haben, was ich möchte.
Daher ist das von Beginn an etwas, was ich nachdrücklich erbitte: Lieber fünf Mal nachfragen, wenn etwas nicht verstanden wurde, als bejahen und dann Fehler machen, die zu gefährlichen oder unbequemen Situation führen können. Ich lasse sie wissen, dass häufiges Nachfragen ihnen überhaupt nicht unangenehm sein muss und ich nicht genervt sein werde.
Okay, genervt bin ich schon manchmal, aber das lasse ich mein Gegenüber in dieser Situation natürlich niemals merken. Langfristig zahlt es sich nämlich aus, wenn alle Handgriffe am Ende wirklich gut sitzen. Das verschafft sowohl den Mitarbeitern als auch mir Sicherheit.
Bei einer Mitarbeiterin, die besonders häufig „ja“ sagte, ohne mich verstanden zu haben, hat es sich bewährt, sie meine Bitten oder Anleitungen in ihren eigenen Worten oder mit Körpersprache wiederholen zu lassen. So habe ich schnell einschätzen können, wie gut sie verstanden hat, worum es geht.
Digitale Sprachassistenten und Übersetzungs-Apps sind bei der Kommunikation auch oft ein Segen. Sie helfen unglaublich viel und für mich hat es sich bewährt, komplexere Sachverhalte vorher zu übersetzen und per WhatsApp an die jeweiligen Mitarbeiter zu senden. Umgekehrt machen sie es genauso und so kam es bereits vor, dass wir uns im selben Raum befanden und uns dennoch per Smartphone unterhalten haben. Es ist eine wirklich gute Methode, wenn die Sprachbarriere selbst für eine sehr einfache Unterhaltung zu groß ist, oder aber auch komplexere Sachverhalte wie Informationen zum Arbeitsvertrag besprochen werden müssen.
Und dann, wenn das schriftliche Übersetzen nicht möglich ist, ist die verbale Übersetzung per Zuruf über die digitalen Sprachassistenten phänomenal. Das passiert zum Beispiel dann, wenn wir im pflegerischen Ablauf sind. Das Tippen auf dem Handy ist in der Situation einfach zu unpraktisch.
Darüber hinaus gibt es natürlich noch die Möglichkeit, selbst ein paar Brocken der Sprache des jeweiligen Assistenten zu lernen. So frage ich sie zum Beispiel nach den Vokabeln für „Bremse“, „Hüfte“ usw. Durch die Wiederholung lernen wir beide sowohl den deutschen als auch den anderssprachigen Begriff und meine Assistenten freuen sich darüber, dass ich auch von meiner Seite gewillt bin, ihnen verbal entgegenzukommen und etwas zu lernen.
Bei Verrichtungen im Alltag, die nichts mit der Pflege zu tun haben, ist eine Sprachbarriere nicht so wild. Hier findet man ohne Zeitdruck immer die Möglichkeiten einer Verständigung.
Manchmal kommt es vor, dass die mangelnden Sprachkenntnisse zu Situationen führen, die unglaublich lustig sind. Hier ist es schwer, nicht zu lachen, um die Assistentin oder den Assistenten nicht in eine unangenehme Lage zu bringen. So erinnere ich mich zum Beispiel an eine Party. Wir unterhielten uns darüber, welche größeren oder kleineren Misserfolge wir im Leben hatten. Eine meiner Freundinnen erzählte, dass sie beim ersten Mal durchs Abitur gefallen sei. Ein Assistent, ein unglaublich lieber und herzlicher Mann, der damals nur sehr schlecht Deutsch sprach, nickte ihr freundlich zu, lächelte und sagte: „Das ist schön.“ Das war sein Standardkommentar in sehr vielen Gesprächen – und meistens passt er auch ganz gut – aber hier hatte es eine unfreiwillige Komik.
Manches Mal fällt auch erst im Gespräch auf, wie skurril einige unserer vermeintlich ganz normalen Begriffe sind. So fragte ich einmal einen Assistenten, ob er zu seinem Kaffee ein Schweineohr essen möchte. Er war vollkommen entsetzt, weil er diesen Ausdruck für das Blätterteig-Gebäck nicht kannte und dachte, ich wolle ihm das echte Ohr eines Schweines, so wie sie es als Knabber-Snack für Hunde gibt, anbieten. 😄
Über die Jahre haben sich für mich folgende Verhaltensweisen gut bewährt:
Auch wenn die Sprache eine Barriere sein kann, so empfinde ich es doch als absolute Bereicherung für mich, Menschen um mich herum zu haben, die mich nicht nur im Alltag unterstützen, sondern auch durch ihre Persönlichkeit, Herkunft, Kenntnisse und Fähigkeiten und vieles mehr eine echte Bereicherung für mich darstellen.
Aber auch umgekehrt bekomme ich nicht selten das Feedback, das ich meinen Assistentinnen und Assistenten das Ankommen in einem neuen Land, die Unterstützung bei der Bürokratie und das Kennenlernen der Kultur und vieles leichter mache. Und so ist das doch ideal.
Hinweis: Erkennbare Markennamen sind willkürlich gewählt und dienen ausdrücklich nicht der Produktplatzierung. Biogen nimmt keinerlei Einfluss auf Umsatzgeschäfte der auf SMAlltalk sporadisch erkennbaren Markenhersteller und es bestehen diesbezüglich keinerlei Erwartungen.
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